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L’espace de Ravel / L’Enfant et les Sortilèges

Ein Ravel-Abend

„(...) „L’espace de Ravel“ reiht drei melancholische und oft dissonante Walzer aneinander, die sich kontinuierlich ins rauschhaft-Orchestrale steigern. Das Ensemble tanzt das zunächst ausgesprochen klassisch. Doch dann ist es spannend zu sehen, wie Widerhaken, Goldin-typische Bewegungsmuster – erbebende Körper, serielles Wippen in den Hüften – eingestreut werden, ohne die dichte Interpretation der Musik zu verlassen. (...)"

Markus Termeer, taz-NRW, 03. Mai 2006


„(...) So wie Maurice Ravel in seiner Musik den Walzer eindunkelt und psychologisch auflädt, so hält es auch Goldin. Man erlebt keine Harmonie der Paare, sondern das Gegenteil: Einsamkeit in der Masse. Eine sehr heutige Inszenierung.
Wie Blätter im Wind
Die Männer sind hier keine stolzen Galane, sie schütteln sich wie im Fieberwahn. In einer der stärksten Szenen liegen die Herren reglos am Boden, während die „verwitweten“ Damen mit den Jacken ihrer Liebsten tanzen müssen, ein Bild von großer, poetischer Traurigkeit. Selbst wenn im Finale alle atemberaubend synchron über die Bühne wirbeln, bleiben sie doch isoliert, verschränken die Arme vor dem Leib, fliegen schließlich davon wie Blätter im Wind. (...)

Man könnte sich an den Live-Genuss sehr schnell gewöhnen. Neuland betrat Goldin auch im zweiten Teil: Er setzte eine Oper in Szene, Maurice Ravels „L’Enfant et les Sortilèges“  ist ein Kurzstück über ein ungezogenes Kind (...), das beim Spielen Haus und Garten zertrümmert. (...) Nach der provozierenden Walzer-Folge zeigt sich Goldin in der Oper von einer überraschend heiteren Seite. Bunt und üppig illustriert er die Auftritte der Gegenstände. (...) Viele Szenen sprühen vor Witz. (...) Eine köstliche Torte zu Daniel Goldins zehnjährigem Dienstjubiläum. Die Zuschauer konnten nicht genug davon bekommen: Bravo-Sturm und Standing Ovations.“

Manuel Jennen, Münstersche Zeitung, 02. Mai 2006


„Am Großen Haus der Städtischen Bühnen Münster hat Daniel Goldin, seit 10 Jahren der Chef des Tanztheaters, seinem Publikum einen großen Ravel-Abend beschert. Der von ihm geschaffene „Ravel – Raum“ weitet sich vom Solo mit Klavierbegleitung über Ensembletanz zu großem Orchester bis hin zur kurzen Oper. Dem Tanz gelingt eine beglückende Versöhnung mit der Wirklichkeit, wie sie auch von der Musik Ravels ersehnt wird. Seinen „L’espace de Ravel“ öffnet Goldin behutsam biographisch mit der „Pavane pour une infante défunte“ in der Klavierfassung von 1899 (am Flügel: Rainer Mühlbach). Ein einzelner Tänzer (Tsutomu Ozeki) umtanzt zu der fast klassisch getragenen Musik der spanischen Pavane eine weibliche Handpuppe in weißem Festkleid. (...) Dann weitet sich der blau schimmernde Raum zu den Walzerstücken der „Valses nobles et sentimentales“ in der Orchesterfassung von 1912 und der choreographischen Dichtung „La Valse“ von 1920. Je acht Tänzerinnen und Tänzer füllen die Bühne, die durch einen aus den Fugen geratenen Kronleuchter sparsam als Ballsaal gekennzeichnet ist (Bühne: Matthias Dietrich). Die Frauen sind barfuß und tragen lange, blaue Kleider, während die beschuhten Männer in dunklen Anzügen stecken (Kostüme: Gaby Sogl). Das Ensemble nimmt die harten, schneidenden Dissonanzen Ravels, der eigentlich unverträgliche Klänge zusammenführt, und den zerbrochenen Schwung der Wiener Walzer auf. Kaum kommt es zu Paarbildungen, eher umarmen sich isolierte Figuren selbst, und Männer brechen jäh zu Boden. Doch verdoppelt der Tanz nicht die Musik; vielmehr scheint es das Tanzen zu sein, das den Bruch in der Walzer-Welt-Harmonie zu heilen vermag, indem es die Musik in die Wirklichkeit von Bewegung hineinzieht. Nicht mehr naiv, sondern wie in zweiter Potenz stellt sich so Walzerglück doch wieder her. Von der Versöhnung mit der Welt erzählt auch Ravels „L’Enfant et les Sortilèges“, die bunte Märchenoper vom bösen „Kind und den Zauberdingen“ nach dem Text von Colette.

(...) Der Abend endet märchenhaft, wenn selbst für das böse Kind (Judith Gennrich) in seiner bunten Traumwelt alles wieder gut wird. Im Medium des Tanzes entsteht dabei ein überschießendes Moment von gelingendem Leben auch angesichts einer widrigen Wirklichkeit, wodurch Goldins Produktion den Kitsch vermeidet und zu einem rundum beglückenden Ereignis wird. Nur durch rigoroses Schließen des Vorhangs konnte das Premierenpublikum an der Fortsetzung seiner langandauernden, begeisterten Ovationen für alle Beteiligten gehindert werden, allen voran Daniel Goldin und Rainer Mühlbach.“

Hans Butterhof, Recklinghäuser Zeitung

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