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Melodiya (oder: Tschaikowsky Variationen)

„Es schneit. Das ist schön anzusehen und außerdem stimmig, denn der künstliche Schnee rieselt auf Tänzer und Tänzerinnen herab. Man denk an den Nußknacker, an russisches Ballett und Tschaikowsky - und ist beim neuen Tanzabend von Daniel Goldin in Münsters Kleinem Haus goldrichtig. (...) Aber Goldin zeigt kein märchenhaftes Mütterchen Rußland, sondern Tristesse des 20. Jahrhunderts. Auf die zentrale Spielfläche (Bühne: Katharina Gault) kommt das zehnköpfige Ensemble in grauer Alltagsgewandung. Aus ihren Taschen kramen sie Kleidungsstücke hervor, präsentieren sie wie auf dem Flohmarkt. Und da kann die Musik noch so schwelgerisch tönen: Die Menschen rubbeln sich frierend die Körper, wechseln von tänzerischen Gesten wieder zu zögerlichen Bewegungen. (...)"

Harald Suerland, Westfälische Nachrichten, 22. Mai 1999


„Tschaikowsky und Tanztheater - kann das zusammenkommen? Der Meister des streng klassischen Balletts und das kreative Crossover unserer Tage? Bei Münsters Tanztheaterchef funktioniert das. (...) In vielen bunten, rasant fantasievollen Szenen enttarnt sein zehnköpfiges mitreißendes Ensemble die Begeisterung für Tutu und Pas de deux als nostalgische Sentimentalität. (...)
Bei Goldin ist nichts mehr so, wie es mal war. Tschaikowsky nicht, Rußland nicht und das Ballett auch nicht. (...) Das Ost-Ballett hat abgewirtschaftet, es lebe die West-Tanzerei? Zur Pause (...) könnte man dererlei vermuten. (...) Doch plakative Thesen liegen Goldin nicht, er befragt im zweiten Teil eingehend die eigene Position. Kinderbilder aller Mitwirkenden erinnern daran, daß sich niemand hinter die eigene Entwicklung zurückträumen kann. Die rauhe Wirklichkeit läßt sich nicht verdrängen, schon gar nicht, wenn das Inspizientenpult direkt neben der Bühnen steht. Da mögen die Tänzer noch einmal singend im Kinderbettchen sitzen, auf Roller und ersten Fahrrad herumsausen: Dornröschen bleibt ungeküßt in der Glasvitrine und die gute Fee schwingt als Dompteuse die Peitsche.
Goldin erzählt eine Parabel von der verlorenen Unschuld. Auch für sein Tanztheater. Ein Tanztheater, das den großen Ballettkomponisten wiederentdecken könnte. Zuletzt, wenn sie sein Porträt hereingetragen haben, entzünden alle Tänzer Fackeln für Tschaikowsky. Sie tun das glaubhafter als manches angestaubte Original-Ballett."

Sebastian Loskant, Münstersche Zeitung, 22. Mai 1999


„(...) In Goldins neuem Tanztstück „Melodiya (oder: Tschaikowsky Variationen)“ dröhnt oder zirpt Tschaikowskys Musik in historischen und aktuellen Einspielungen abendfüllend durchs Kleine Haus von Münsters Städtischen Bühnen. Sie kommt aus der Spieldose und aus dem Lautsprecher, und von einem alten Koffergrammophon wird sie durch alle Plattengeschwindigkeiten gejagt. Wir hören Sinfonisches und Kammermusikalisches, Opernarien und Fetzen aus dem „Capriccio italien“, die pompöse „Ouvertüre 1812“ und natürlich immer wieder Ausschnitte aus den großen Balletten. (...)"

Jochen Schmidt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. Mai 1999

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