©GeorgSchreiber

Fata Morgana

 

 

„Aus den Lautsprechern dröhnen nostalgische Melodien der „Goldenen Zwanziger”, am Bühnenrand stehen bunt kostü­mierte, weiß geschminkte Gestalten, die lächeln oder ihre blaue Zunge herausstrecken. Diese Szene von ironischer Bewegungslo­sigkeit eröffnete die Darbietungen des Folkwang-Tanz-Theaters am Ende des vielfältigen Hochschultages in Werden.

Freilich war nicht jeder be­geistert, wenn in einer Szene ein Tänzer und eine Tänzerin mit entblößtem Oberkörper nebeneinanderstanden und zur Klaviermusik R. Schumanns in Zuckungen und puppenhafte Bewegungen verfielen. Dass dem Folkwang-Tanz-Theater hier aber eine Mischung aus Satire, tänzerischen Höchstlei­stungen und gut durchdachter Dramaturgie gelungen ist, lässt sich nicht bestreiten.
Ein rundes Dutzend Szenen, in denen mal alle, mal einer, mal zwei Künstler auftraten, wurden ganz im Sinne einer musikalischen Kontrapunktik in Beziehung gesetzt. Auf schnelle Bewegung etwa folgten Abläufe in Zeitlupe, während bestimmte Kostüm­farben gleich blieben, und ein Tänzer konnte wie ein verges­senes Relikt aus der vorigen Szene auf der Bühne stehen­bleiben, während Musik und Handlung neu ansetzten. Es war diese Verklammerungs-technik, die den Abend zu ei­nem zusammenhängenden Er­lebnis machte.
Die vielen Aspekte des Men­schen, die hier gezeigt wurden, ergaben bei allen möglichen Anknüpfungspunkten unter­einander doch eher ein Mosaik von Schauplätzen und Ebenen, denen ohne weiteres die Luft hätte ausgehen können. Hier zeigte sich choreographisches Fingerspitzengefühl.
Schön war auch das Malen von menschlichen Umrissen auf einer weißen Wand im Hintergrund, vor der mal eine Gruppe von Kriegern passierte, mal ein Liebespaar sich fand, Frauen auf die Bühne fielen und Tänzer über den Boden robbten. All das demonstrierte Liebe und Gewalt, Ironie und Sentimentalität, Ästhetik von Bewegung oder völligen Still­stand. Ein Tanz-Kaleidoskop, wie man es selten sieht.”

Hanno Siepmann, NRZ, 19. April 1989

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