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Cuentos del Camino - Wegerzählungen

Eine Tetralogie von Duetten

„(...) Beeindruckend ist die Emotionalität, mit der die Tänzerinnen und Tänzer sich auszudrücken vermögen. Fast pantomimische, ganz verhaltene Passagen wechseln sich ab mit sehr kraftvollen schon brutalen Bewegungen. Mit höchster Sensibilität sind die drei Tanzpaare aufeinander eingestellt, wunderschön anzusehen sind die weich fließenden Bewegungen, die sie gegenseitig voneinander übernehmen, wellenartig steigern und wieder abebben lassen. Die Emotionen der Figuren darzustellen und sie lebendig zu machen, ist die Stärke von Daniel Goldin und seinem Ensemble. Deutlicher könnten die Figuren mit Worten nicht sprechen, als es die Tänzerinnen und Tänzer in dieser Choreographie mit ihren Körpern tun. Eine starke Wirkung hatte die räumliche Disposition der Musik: ständig wechselnde Klangquellen wurden effektvoll akustische Analogie zur Bewegung der Tänzer.“

Ruhrnachrichten, 21. September 1996


„(...) Neun Jahre arbeitete Daniel Goldin an der Choreographie für die vierteilige Tanzpartitur. Das Resultat ist eine Meisterleistung an Ausdruckstanz inszeniert mit sparsamsten Mitteln. (...) Es ist schon etwas Besonderes, in dem kleinen Theaterraum zu sitzen und so aus der Nähe dieses Schauspiel ausgereifter Bewegungskultur mitzuerleben. (...) Der Ausspruch von Pina Bausch, der legendären Gründerin des modernen Tanztheaters: „Es geht nicht darum, wie der Mensch sich bewegt, sondern was ihn bewegt“, wird mit jeder Geste lebendig. Die Tänzer saugen elementare Gefühls- und Lebenssituationen förmlich in sich auf, um sie in Körpersprache wieder auszuatmen. Körperliche Höchstleistungen sind immer nur Mittel zum Zweck. „Das Ziel ist den Menschen, und nicht ein Maximum an körperlichen Repertoire auf die Bühne zu bringen“, kommentiert der Choreograph.“

Christian Burchard, Landsberger Tageblatt, 02./03. Dezember 1995


„(...) Diese vier Duette sind über einen Zeitraum von neun Jahren entstanden. Und das Durchdachte, Vertiefte ist ihnen anzumerken. Und gleichfalls, dass Goldin, selbst zeitweise Essener Folkwangstudio-Mitglied, hier mit Folkwang-Absolventen arbeitet. Da ist plötzlich eine solche Kultur der Bewegung auf der Bühne, wie man sie eben viel zu selten sieht.(...) Viele wunderbar erarbeitete, manchmal nur winzige Bewegungen, ungeheuer in ihrer Wirkung – weil sie mit Innenleben erfüllt sind. (...) Goldins Arbeiten rütteln wieder wach. Verlangen wieder schärfere Kritik an den trendigen, vor allem an den zeitgeistig schnell rausgehenden Choreographien.“

Malve Gradinger, Münchener Merkur, 02. August 1995


„(...) erweisen sich diese Stücke als äußerst unterschiedliche, sehr reizvolle Stimmungsbilder, die zu elegischer spanischer Volksmusik und Kompositionen Emilio Caos schnell verwehende Geschichten von unbestimmten Ängsten, aufkeimenden Hoffnungen und kurzem Glück erzählen. Kommen hier zwei Menschen, die in stiller Verzweiflung vergeblich den Blick des Partners suchen, nicht einen Schritt vorwärts, so streben dort zwei andere in froher Erwartung tanzend einem schönen Erlebnis entgegen. Diese haben ein Ziel vor Augen, jene haben längst schon eine Hoffnung aufgegeben. Goldin wechselt von statischer Kargheit  der Bewegung zu überbordender Lust, der er mit grotesk anmutenden Hakeleien der Arme, Hüften und Beine sowie durch krakelige Sprünge Gestalt gibt. Ein wenig fühlt man sich an Mats Eks Arbeiten erinnert, obwohl Goldin sehr wohl eine eigene Sprache spricht. Man sitzt auf der vorderen Stuhlkante und schaut höchst erregt in anderer Menschen Herzen – faszinierend.“

B. K., Stuttgarter Zeitung, 15. April 1995


„(...) Goldin entwirft Charaktere, zeigt Doppelportraits, ergründet Beziehungen. Und er tut das überaus behutsam, ohne plakative Posen, ganz konzentriert auf zwei Menschen, die sich erst einmal begreifen müssen, bevor sie sich aufeinander einlassen, sich gegenseitig stützen können. (...) Goldins Arbeit bleibt bei aller Kunstfertigkeit, bei allem Raffinement des Lichtdesigners immer auf dem Boden der Tatsachen. Seine Choreographie hat noch eine Ursprünglichkeit, die an Ballette von Mats Ek erinnert. Sie kann heiter sein, beinahe holzschnitthaft; und sie hat bei aller Schwere stets etwas Schwebendes. Sie zeigt das Leben, aber das Licht am Ende des Weges bedeutet möglicherweise bereits den Tod. Kurz: Eine „Tetralogie“, die mehr ist als Talentbeweis. Man wird auf Goldin achten müssen.“

Hartmut Regitz, Stuttgarter Nachrichten, 19. April 1995


„(...) Bei aller Virtuosität erschien die Choreographie niemals abgehoben und unverständlich, sondern bot eine Fülle von Sinnangeboten und Assoziationsmöglichkeiten. Man ließ sich davontragen von den Bildern, von der Musik, von den Gefühlen, man tauchte völlig ein in die Erzählungen vom komplizierten Weg zweier Menschen auf der Suche nach dem Glück."

Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 06. März 1995


„(...) Goldins Cuentos del Camino - Wegerzählungen schalten vier Pas de deux für zwei Paare hintereinander und modellieren aus simplen Bewegungen des Gehens und Verharrens, des Erschreckens und Zueinanderflüchtens, der Schutzsuche und der Zuwendung regelrechte Lebensbilder: genau gesehen und liebevoll gezeichnete Portraits von Menschen auf unsicheren Wegen, Versuche, sich des Todes zu erwehren und, des Lebens zu versichern in einer unruhigen Zeit. (...)“

Jochen Schmidt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. Oktober 1994


„Daniel Goldins Tetralogie getanzter Duette, die er zu dem einstündigen Quartett „Wegerzählungen” zusammenfasste, sind wie exquisite Kammermusik. 1994 in Münsters Pumpenhaus durch Mitglieder des Folkwang Tanzstudios aus Essen uraufgeführt, ist diese elegische Tanztheaterkomposition längst ein international gefeierter „Klassiker”. Pina Bausch wünschte sich das 3. Duett, „Der Schatten und der Mond” (La Sombra y La Luna, 1992), getanzt von Goldin selbst mit Alice Cerrato, für das Rahmenprogramm zur Verleihung des Deutschen Tanzpreises an sie. Jetzt hat Goldin die Duette neu einstudiert. Die Premiere im Kleinen Haus endete mit minutenlangem, herzlichen Applaus für den Choreographen und die beiden Paare Eun-Sik Park und Tsutomu Ozeki, Ines Petretta und Wilson Mosquera Suarez. Mit zarter Poesie und Melancholie komponiert Goldin auf Volksmusik aus Irland und Galizien, vermengt mit Naturgeräuschen. Schrill pfeifender Wind durchschneidet den stockfinsteren Raum zwischen den Momentaufnahmen, die auf Schritte des Lebensweges von Menschen fokussieren. Verspielte Kindlichkeit und bizarre animalische Bewegungs-Imitationen blitzen immer wieder auf, vor allem in »La Sombra«. (...) Meist kämpfen sich die Tänzer wie Marionetten an unsichtbaren Fäden – liegend, stehend, hockend, zuckend und vibrierend – vorwärts als „Treibgut” (A la Deriva, 1993) oder senden Signale der Hoffnung aus (in „Die Wallfahrt”/ La Peregrinación, 1986). Fast immer stehen die Frau und der Mann hintereinander, selten einander zugewandt. Kaum je berühren sie einander oder sehen sich in die Augen. Und doch ist da immer wieder eine rührende Zärtlichkeit, ein Zusammengehören zu spüren, vor allem im letzten Duett „Tagesanbruch” (Alborada, 1994). (...) Goldins meisterliche Miniaturen bieten einen leisen Tanzabend – völlig angehoben vom lärmenden Alltag.“

Marieluise Jeitschko, Westfälischer Anzeiger, 01. Februar 2008


„Inspiriert von der kargen Landschaft Galiziens, sind die vier Duette zwischen 1986 und 1994 entstanden. „Treibgut” ist der erste Teil der Tetralogie überschrieben. In gleichförmigen, maschinenhaft anmutenden Bewegungen holen Eun-Sik Park und Tsutomu Ozeki aus dem Meer, was anderswo verloren ging. Trotz harter Arbeit finden sie noch Zeit für Zärtlichkeit. Selbst auf die Gefahr hin, dass die mühsam geborgenen Schätze wieder weggespült werden. (...) In „Die Wallfahrt” setzt sich ein verliebtes Paar vom Rest der Pilgerschar ab. Immer wieder lockt Ines Petretta ihren Partner Wilson Mosquera Suarez, um sich dann doch zu verweigern. Zu stark wirkt das Gebot der Keuschheit, das die Religion über die Liebenden verhängt hat. Kleinmütig reihen sie sich am Ende wieder in den Zug der Betenden ein. Gespenstisch geht es in „Der Schatten und der Mond” zu. Schaurig rauschen die Bäume, während Ozeki und Park sich in halb ängstlichem, halb mutwilligem Liebesspiel ergehen. Bald sitzt sie ihm als Alb auf dem Rücken, dann wieder tanzt sie leichtfertig vor seiner Nase herum, während er vergeblich versucht sie einzufangen – der trügerische Zauber einer Sommernacht. Fröhlich, unverbindlich (...) beginnt der vierte Teil. In »Tagesanbruch« schäkern sich Petretta und Suarez voll Anmut der aufgehenden Sonne entgegen. Dabei nehmen sie kurzzeitig die Bewegungsabläufe aus „Treibgut” wieder auf. Aber nicht mehr mit dem drückenden Ernst wie Ozeki und Park im ersten Teil, sondern eher ironisch in der Art eines postmodernen Zitats. Goldins Choreographie ist unspektakulär und beschränkt sich auf das Wesentliche. Gerade damit erreicht sie die größte Wirkung. Begleitet manchmal und dann wieder geführt von der volkstümlich beeinflussten Musik des galizischen Komponisten Emilio Cao, bewegen sich die Tänzer auf ihrer Bahn, ohne das Ziel zu kennen. Es ist die Unsicherheit im scheinbar Sicheren, die hier in ebenso schönen wie sensiblen Bildern in Szene gesetzt wird.“

Helmut Jasny, Münstersche Zeitung, 01. Februar 2008


„(...) Ein andauernder, stürmischer Wind braust und verbindet die vier Teile, man fröstelt und spürt den (Natur-?)Gewalten nach, die Paare auf der Bühne erleben. Durch das karge graue Galicien im Norden Spaniens führen die Wege der Tänzer – Wege, in einem schwarzen Nichts nur durch Licht vorgezeichnet und durch den Bewegungskanon des Choreographen gangbar. Emilio Caos Musik begleitet und inspiriert drei der vier Erzählungen – der Musiker, Sänger und Komponist lässt Stimmungen entstehen, die haargenau zu dem passen, was Daniel Goldin, mit dem Körper seiner Tänzer sagt – oft scheinen die Menschen gar wie Instrumente zu sein."

Heike Hänscheid, Echo Münster, 01. Februar 2008


„(...) Wer Kammermusik mag, wird diese Tanz-Stunde lieben.“

Marieluise Jeitschko, Tanznetz.de

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